SCHÜLERAUSSTELLUNG OuGlüPo „Werkstatt für Potentielles Glückstadt“

Das Palais für aktuelle Kunst öffnet seine Türen dieses Jahr erneut für Schülerkunstwerke. Vom 6. Februar bis 27. März 2011 sind am Hafen Arbeiten einer dreizehnten Klasse des Detlefsengymnasiums zu bewundern. Auf ganz individuelle Weise haben sich die Schülerinnen und Schüler mit der Kartographie und Architektur ihrer Stadt auseinander gesetzt. Nach der Idee der französischen Gruppe »OuLiPo» (Ouvroir de Littérature Potentielle – Werkstatt für Potentielle Literatur) unterwarfen sich die Gymnasiasten bei der künstlerischen Produktion selbst gewählten Zwängen, um neue, kreative Denkprozesse in Gang zu setzen. Die Arbeit nach Formzwängen wurde dabei von den Schülern in verschiedensten Medien erprobt.
Entstanden sind vielseitige und anspruchsvolle Arbeiten in Form von Karten, Grafiken, Collagen, Texten,  Foto-, Sound- und Videoarbeiten. Außerdem entwickelten die Schüler ein eindrucksvolles, anspielungsreiches Stadtmodell von Glückstadt aus gefundenen Alltagsgegenständen und Abfallprodukten.
Angeregt von den Stilübungen des Oulipoten Raymond Queneau wurden persönliche, stadtbezogene Erlebnisse der Schüler in eine Fülle sprachlicher Perspektivwechsel umgesetzt.

Der Glückstädter Stadtplan war Ausgangspunkt für vielfältige Untersuchungen zu neuen grafischen Stadtordnungen und -unordnungen. »Potentielle Partnerstädte« wurden erforscht und in Form von Collagen in Bezug zu Glückstadt gesetzt.

Auch die tägliche Orientierung der Schülerinnen und Schüler in ihrer Stadt wurde nach individuellen Formzwängen betrachtet und in verschiedenen Medien kartographiert. »Den eigenen Schulweg beschreiben, ohne Strassennamen zu verwenden.« Diese Regel inspirierte beispielsweise die Schülerin Annemie Lietz zu einer performativen Audioarbeit: Sie fixierte ihr Handy (mit Mikrofon) an einem Stock, zog diesen ihren Schulweg entlang und kreierte so eine hörbare »Wegbeschreibung« im unmittelbarsten Sinne.
Möglich gemacht wurde die künstlerische Arbeit der Schüler und die Realisierung der Ausstellung durch die Pilotmaßnahme „Kunst hoch Schule“ der Muthesius Kunsthochschule in Kiel in Zusammenarbeit mit dem IQSH und dem Ministeriums für Bildung und Kultur, mit Unterstützung des BDK Schleswig-Holstein e.V. und der Kling-Stiftung für Bildung und Zukunft. Die Ausstellung wurde zusätzlich von den Stadtwerken Glückstadt und der Sparkasse Westholstein gefördert.
Das einwöchige Projekt der Klasse 13n im Oktober 2010 verband fächerübergreifend Aspekte des Kunst-, Deutsch- und Geschichtsunterrichtes. Die von der Kieler Designerin Cornelia Fränz, dem Kunstlehrer Vincent Schubarth und dem Deutsch- und Geschichtslehrer Sönke Loebert betreute „Werkstatt für potentielles Glückstadt“ hatte ihre Basis in einem Kunstraum des Detlefsengymnasiums, von wo aus die Schüler und Schülerinnen Ausflüge in das Detlefsenmuseum und in den gesamten Stadtraum unternahmen. Inmitten des schulischen Alltags entstand so eine Laborsituation, welche die Neugier der anderen Schüler auf sich zog.
Die „OuGlüPo“ Aufgabenstellungen waren so konzipiert, dass alle Beteiligten mehrfach zwischen den Aufgabenbereichen wechseln konnten, um Bild- und Textproduktion mit performativen und plastischen Untersuchungs- und Gestaltungsprozessen zu verknüpfen.

Die Idee, nach dem Vorbild der Oulipien zu arbeiten, stammt von Cornelia Fränz. In ihrer Diplomarbeit im Jahre 2009 hatte sich die Muthesius-Preisträgerin mit der Übertragung der oulipotischen Prinzipien auf die Typografie auseinandergesetzt. (»OuTyPo – Potentielle Typografie zu Georges Perecs »Das Leben Gebrauchsanweisung«)
Die Gruppe Oulipo, gegründet 1960 von Literaten und Mathematikern in Paris, erforscht das literarische Schreiben nach Formzwängen. Das Erfinden und Festlegen von Regeln ist dabei selbst wichtiger Teil der künstlerischen Arbeit. Die Formzwänge bilden ein Gerüst, ermöglichen das Loslösen von unbewussten, eingefahrenen Denkmustern und fördern so ungeahnte Potentiale zutage.
Ein berühmtes Beispiel ist der Roman ohne »e« von Georges Perec (»La disparition«/ »Anton Voyls Fortgang»): Einen Roman zu schreiben ohne den Buchstaben »e« zu verwenden, bringt den Schriftsteller dazu, sprachliche Umwege gehen zu müssen, die er ohne Formzwang vermutlich nie in Erwägung gezogen hätte – eine Fülle neuer Ausdrucksmöglichkeiten kann so hervorgebracht werden.

Dieses Prinzip kann auf verschiedenste künstlerische Disziplinen übertragen werden: Im »OuMuPo« übertragen Komponisten oulipotische Prinzipien auf musikalisches Gebiet, im »OuPeinPo« beschäftigen sich die Maler, im »OuPhoPo« die Fotografen und im »OuCuiPo« die Köche mit den unter Zwängen zutage zu fördernden Potentialen ihrer jeweiligen Gebiete. Und auch mit »OuGlüPo – der Werkstatt für Potentielles Glückstadt« erforschten nun die Schüler des Detlefsengynasiums ungeahnte Potentiale Glückstadts.

Führungen: Immer samstags, 16 Uhr durch die Schüler. Oder nach Absprache.
Filmabend: Fr. 4.3., 19.30 Uhr

6. Februar – 27. März 2011