Die Doppelausstellung Uwe Paduck und Rene J Goffin verspricht eine intensive Auseinandersetzung mit zwei malerischen Positionen innerhalb der international wieder stark in den Mittelpunkt der Kunst gerückten Malerei. Dieser Aktualität entsprechend, konzentriert sich die Schau der in Schleswig-Holstein lebenden Künstler auf knapp 60 neue

Bilder, die in den letzten zwei Jahren entstanden sind.
Sowohl Paducks wie Goffins abstrakte Arbeiten sind keine ad-hoc-Lösungen, sondern Resultat jahrzehntelanger Beschäftigung mit den Möglichkeiten der Malerei – sowie mit deren immer wieder propagiertem Ende. Umso beeindruckender ist es, dass Paduck wie Goffin in Glückstadt mit neuen Bildlösungen aufwarten.

Als Uwe Paduck, der in 2004 seinen sechzigsten Geburtstag feiert, vor wenigen Jahren sein Atelier von Hamburg nach Glückstadt in einen ehemaligen Bootsschuppen ans Wasser verlegt, wandelt sich seine Malerei noch einmal radikal. Streng monochrome und geometrische Farbfelder werden abgelöst von offenen Kompositionen mit gestischer Pinselführung. Die Hand, die diesen Pinsel führt, wird physisch präsent. Großzügig agiert Paduck mit leuchtenden Farben und fließenden Formen. In Aquarell- und Acrylfarben findet er dafür das geeignete flüssige Malmittel. Alles in diesen Bildern scheint von der Bewegung und vom Licht getragen. Als ob sich die jahres- und tageszeitlichen Veränderungen in der weiten Marschlandschaft – der schnelle Wechsel von Sonne und Schatten, der unaufhörliche Wandel der Wasseroberflächen und Wolkenformationen – auf Paduck körperlich übertragen hätten und über den Pinsel ins Bild transportiert würden. So kann es passieren, dass der Betrachter die abstrakten Bilder bisweilen mit Naturschauspielen assoziiert – auch wenn Paduck ein Zuviel an Illusion mit malerischen Mitteln zu unterbinden weiss. “ Ein Bild ist kein Abbild, es hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun“, sagt Paduck, „es ist etwas ganz Neues.“

Dagegen hat die landschaftliche Umgebung keinen direkten Einfluß auf die Malerei des seit 20 Jahren am Selenter See lebenden René J Goffin. Die Arbeiten des 1951 in Düsseldorf geborenen Künstlers bilden in sich abgeschlossene Welten aus künstlich wirkenden Formen und Farben, die sich verdichten und wieder auflösen. Sie sind und genügen ganz sich selbst. Oft enden wild bewegte Lineaturen abrupt an scharfen Kanten, an die sich wieder neue Bildwelten schließen. Kunstkritiker haben sie mit der Gleichzeitigkeit der Ereignisse in hochkomplexen Industriegesellschaften verglichen. Konsequent hat Goffin lange seine künstlerische Arbeit von seinem dezidierten Interesse an fremden Kulturen getrennt. Sein absolviertes Studium der Ethnologie führt ihn jedes Jahr nach Ostasien. Zum ersten Mal nun hat er begonnen, Stoffe aus Indien in Bildern auf Holzträgern zu verarbeiten. Das ist nicht immer sofort erkennbar, denn Goffin verfremdet Reproduktionen – ob Fotografien, Kopien oder Drucke -, schichtet sie übereinander und bettet sie in eine transparente Acrylsubstanz, die nach und nach aushärtet. In dieser besonderen Collage- und Reproduktionstechnik hat der Künstler exklusiv für den Kunstverein eine fünfteilige Edition angefertigt.

INNERE UND ÄUSSERE FARBLANDSCHAFTEN

Uwe Paduck ist Maler, ein Maler, wie die Kunstgeschichte ihn schätzt, da sich viele Bezüge herstellen lassen und seine Bildsprache, in Gänze betrachtet, dennoch eigenständig bleibt. Ausgehend von den aktuellen Arbeiten erscheint die Retrospektive stringent in ihrer Stillosigkeit; und die Anfänge in den Sechzigerjahren zeigen sich jetzt in neuer Tiefe. In den Zwischenjahren und –jahrzehnten trieb sich Paduck auf allen malerischen Feldern herum: zwischen informeller Abstraktion, Geometrie und abbildhaftem Realismus. „Einen Stil zu entwickeln hieße“, so Paduck, “ die reale Erscheinungswelt in eine Mitteilung oder Meinungsrichtung zu zwingen.“

So ging es ihm stets um die Auflösung jeder Begrifflichkeit in der Malerei, um das Eigene im Anderen, jenseits kunsthistorischer Einordnungen. Das Unbenennbare bleibt frei und fließend in der Form, und den Maler Uwe Paduck interessiert nichts, „was außerhalb des Bildes liegt oder liegen könnte“, denn „Bilder sind (abgesehen von ihrer Materialität und dem Empfindungswert der Farbe) keine Wirklichkeit, sondern allenfalls die Erscheinung von Wirklichkeit.“
Das Bild bleibt für ihn Objekt. Dennoch sind landschaftliche Assoziationen in der Betrachtung von Paducks ungegenständlichen Farbwanderungen und nicht -pastosen Farbschichtungen möglich, vielleicht sogar gewollt. Insbesondere die kleinformatigen neuen Arbeiten überraschen durch ihre kompositorische und expressive Farbenvielfalt, durch Öffnungen in eine suggestive Weite und Tiefe des Bildraumes, dessen netzartige Linienstrukturen zu Ausschnitten aus einer urzeitlichen Welterfahrung werden.

Uwe Paduck arbeitet in erster Linie mit traditionellen Bildträgern (Leinwand und Papier) und Farbmaterial (Öl, Acryl, Aquarell). Malerische Experimente bezieht Paduck nicht auf die äußere, sondern verbindet sie mit der inneren Form. Seine Motive reichen von nervös hingeworfenen Strichen und Lineamenten seiner frühen Radierungen über freie , gestische Figurenansammlungen als Bleistiftzeichnungen und großformatige Farbfeldmalerei mit einfachen Grundformen, über exakt beobachtete Hafenansichten voller Lokalkolorit, ausgeführt wie ein photographischer Negativdruck, bis zu abstrakten, inneren Farblandschaften.

Für manche Einzelbilder oder Werkgruppen lassen sich Vorläufer wie Elsworth Kelly oder Vorbilder wie Gerhard Richter ausmachen. Doch dann, unabhängig von den Impulsen der Kollegen, reicht auch eine Photographie oder die unmittelbare Umgebung, die zum künstlerischen Abbild oder Nachbild wird.

Was die heterogenen Aspekte seines malerischen Werks, ja die unterschiedlichen Stile eint, ist die Dynamik und die Raumwirkung seiner Bildwerke.

Paducks Bilder entstehen Schicht für Schicht, er legt ein Geflecht aus Linien und Lasuren, parallel oder senkrecht zueinander, über das kolorierte Blatt; so entsteht ein Davor und Dahinter in Bildern ohne Oben und Unten. Früher, möglicherweise noch von der Pop-Art inspiriert, waren es andere regelmäßigere Muster, Wiederholungen und Variationen des gleichen Gegenstandes, etwa eine stilisierte schwarze Blüte auf gelbem Grund, die in der Präsentation als Tableauform zwanzigfach wiederholt zu einem Ornament wurde.
In einem Statement aus dem Jahr 1989, als die Malerei nach einem heftigen Höhenflug der sogenannten „Neuen Wilden“ wieder unsanft landete, brachte Paduck die späte Einsicht auf den knappen Punkt: „Malerei hat nichts mit dem Leben zu tun, sondern nur mit Farbe (…) ergo, mache ich etwas mit Farbe, kommt Malerei dabei heraus. Male ich, kommt Farbe dabei heraus.“

In den Siebzigerjahren war er auf der Hochschule für bildende Künste in Hamburg mit Joseph Beuys in Kontakt gekommen, eine Begegnung, die ihn bis heute prägt, wenn auch die enge Verbindung, die Gleichsetzung von Kunst und Leben für Paduck eine unerfüllbare Illusion bleibt. Malerei und Farbe werden für ihn zu Synonymen, was auch in seinen jüngsten Arbeiten sichtbar wird. Eine Malerei, die so rein ist, dasssie nichts meint oder benennt außer sich selbst. Inhalte werden schlicht auf ihre Allgemeingültigkeit überprüft.

Und so entstehen bei Paduck Bilder, deren Arbeitsschritte mal spontan unbewußt, dann wieder kompositorisch bewusst gesetzt werden. Spürbar bleibt die Verbindung von äußerer Erscheinung und innerer Welt, deren malerische Intensität ein Balanceakt zwischen Emotionen und Geist ist.

Matthias Harder