Dieter Glasmacher / Rolf Zander – „Augenkontrollstation“

Dieter Glasmacher (Jg. 1940) und Rolf Zander (jg. 1934) haben mit ihren aktuellen Gemälden, Collagen, Aquarellen und Computerprints das Palais für aktuelle Kunst in die monumentale Installation „Augenkontrollstation“ verwandelt. Ein Motto dieser außergewöhnlichen Präsentation ist einem großformatigen Bildobjekt von Glasmacher zu entnehmen: „Die Realität wird überbewertet“. Der Satz wurde von ihm, wie viele andere Slogans, als Zitat aus einer Zeitung, einer Werbung oder einem Film übernommen und so künstlerisch angeeignet.
Bereits in der letzten Ausstellung wurden die Besucher des Kunstvereins Glückstadt bis in die letzten Winkel des historischen Palais’ mit ironischen und neo-dadaistischen Studentenarbeiten aus Kiel konfrontiert – jetzt zeigen zwei Hamburger Künstler, die der Lehrer-Generation angehören, dass sie mit noch absurderen und gleichzeitig intelligenteren Bildarrangements noch größere Verwirrung stiften können.
Beim Ausstellungsaufbau schien es manchmal, als ob Dieter Glasmacher sein Atelier ins Palais verlegt hätte: so wurden frühere Arbeiten ergänzt und modifiziert, man könnte auch sagen: aus der Erinnerung restauriert. Durch seine Heintje-Forschung vor einiger Zeit auf Umwegen auch auf die Spur von E. Lenzen gekommen, gründete Glasmacher eine Stiftung und zeigt hier u.a. die rekonstruierte Rückwand von Lenzens Hütte, also die originalgetreue Übersetzung eines Fundstücks, so berichtet der Künstler zumindest auf Nachfrage. Doch in diesem riesigen Bildobjekt wird – überraschenderweise – das künstlerische Vokabular der Glasmacher’schen Bildsprache durchdekliniert. Sollte es sich vielleicht gar nicht um die inzwischen berühmt gewordene Rückwand der Einsiedlerbehausung, sondern um ein schlichtes Bild eines norddeutschen Malers handeln? Die neuere deutsche Kunstgeschichte müsste in Teilen möglicherweise neu geschrieben werden!
Rolf Zander hat im vergangenen Jahr viele kleine Medienbilder zu neuen Assoziationsangeboten zusammenmontiert und vergrößert, die hier erstmals als „Allegorien“ und „Apokalypsen“ präsentiert werden. Kennt man allein Zanders kleinformatige Radierungen und Aquarelle, so überrascht er mit diesen lebensgroßen Farblaserdrucken, beruhend auf Nagelscheren-Ausschnitten, vor allem aus Deutschlands Nachrichtenmagazin Nr.1, dem Spiegel. Glasmacher präsentiert dagegen neue Werke mit großem Wiedererkennbarkeits-Faktor: abstrakt-figurative, surreal-zufällige, visuell-verschlüsselte Mittel- und Großformate. Ein verbindendes Moment im Werk beider Künstler ist die ironische wie kritische Hinterfragung und Verwendung massenmedial vermittelter Bilder und Texte. Alles wird unter ihren collagierenden und frei interpretierenden Händen zu einer Fiktion zweiter Ordnung. Selbst in der Beschreibung kommt man häufig nur mit Ironie weiter.

Vernissage am Sonntag, d. 19.01.2003 um 11.30 Uhr
Ulrich Faulhaber liest zur Eröffnung einen Text von Michail Stassjulewitsch

Künstlergespräch mit Dieter Glasmacher und Rolf Zander am Sonntag, d. 23.02.2002 um 11.30 Uhr
Moderation: Christiane Gehner