Destiny, Photographie als Aneignung von Welt

Situationen und Gegenstände wie das Abendessen mit halb erkalteten Speisen oder ein Aschenbecher auf einem Fenstersims werden von uns nicht intensiv wahrgenommen, ihre symbolischen Gehalte übersehen. Wenn ein Photograph, einer buddhistischen Tradition folgend, sich für ein Mahl betend bedankt, wenn er einer vorgefundenen Situation wie einer zufällig geöffneten Zeitschrift mit einer Modewerbung mittels eines spontanen photographischen Bildes „huldigt“, so ist dies bemerkenswert und eröffnet Fragen. Fragen an den Künstler und an seine Bilder.

Young Kyun Lim photographiert etwas, was wir alle kennen, er visualisiert normale Blicke in alltäglichen Bildern. Er blickt auf leere Teller, in Schaufensterauslagen oder aus dem Fenster in einen Garten. Lim vermischt verschiedene Genres, das Portrait, das Stillleben und eine Bildauffassung, die an die life- oder street-photography der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts erinnert. Und neuerdings erweitert er sein photographisches Werk durch Videoinstallationen, wie beispielsweise in der Galerie Bhak in Seoul mit einer minimalistischen Arbeit über seinen koreanischen Künstlerkollegen und Freund Nam June Paik auf sechzehn Monitoren.

Hier nun sind ältere und jüngere Aufnahmen von beobachteten und erlebten Situationen vereint, aus verschiedenen Orten seiner Heimat Korea und seiner Wahlheimat USA, aus Osaka, Prag und Paris, ebenso wie von einem nepalesischen Basiscamp im Himalaja. Die frühesten Arbeiten datieren aus seiner Studentenzeit Mitte der siebziger Jahre in Taegu, inspiriert durch seinen ersten Lehrmeister Tae-Han Kim, der ihm auch abstrakte Bildkompositionen empfahl; die jüngsten Aufnahmen stammen aus Deutschland.

Lim ist ein gläubiger, praktizierender Buddhist. Er besucht regelmäßig ein buddhistisches Kloster in Seoul, um sich immer wieder der Kraft der Bedürfnislosigkeit zu vergewissern. So meditiert er auch mit seinen Photo-Studenten und photographiert sie, während diese sich in Lims Innerstes vertiefen. Eine Biographie von Buddha führt er stets bei sich; sie gerät manchmal auch ins Blickfeld seiner Kamera, so beispielsweise auf dem Tisch eines Gasthauses in Pokhara, während des Aufstiegs zum Himalaja. Sein Skizzenbuch ist das Motiv der nächsten Aufnahme vom gleichen Ort, vom selben Tisch mit etwas anderer Anordnung der darauf befindlichen Gegenstände, jetzt geöffnet; sie zeigt die Zeichnung eines Bergmassivs. Als er weiter aufsteigt, erreicht er ein winziges Hotel, in dem nicht geheizt wird, da er zu diesem Zeitpunkt der einzige Gast ist; aber das Kopfkissen verheißt in dem zugigen, eiskalten Raum „with love“.

Einführung:
Dr. Matthias Harder, Palais für aktuelle Kunst

13.04.-18.05.2003

In Zusammenarbeit mit der Friedrich-Hundt-Gesellschaft im Stadtmuseum Münster, dem Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte Oldenburg und der Prüss & Ochs Gallery, Berlin