Im Palais für aktuelle Kunst in Glückstadt geht es mit der zweiten Ausstellung in diesem Jahr sprichwörtlich in die dritte Dimension. In Bild und Anpassung stellen die allesamt in Berlin lebenden KünstlerInnen einen Kanon von Werken vor, die um Objekt und Gegenstand im Grenzbereich zum malerischen und fotografischen Bild kreisen. Viele der ausgestellten Arbeiten nähern sich in ihrem Erscheinungsbild Gegenständen anderer Gattungen an, wie zum Beispiel dem Display, der Attrappe, dem Möbelstück und dem architektonischen Fragment oder setzen vorgefundene Objekte bildnerisch ein. Das Ignorieren oder das bewusste Spiel mit der Verklärung von Objektkategorien lädt zu einer offenen Begegnung mit den Werken ein und schlägt eine Reihe möglicher Lesarten vor. In dem Parcours von bildhaften Objekten und objekthaften Bildern gilt es eine große Bandbreite körperlicher, kontemplativer, anekdotischer, konkreter oder konzeptueller Aspekte zu entdecken.

Die Annäherung eines Kunstwerks an ein Objekt zeigt sich auf ganz direkte Art im großen Wandrelief, in dem die kanadischen Künstler Hadley+Maxwell mit Hilfe von „black wrap“ – einer schwarzen Alufolie, die üblicherweise im Film verwendet wird – Fragmente von Skulpturen aus dem öffentlichen Raum wortwörtlich abformen und neu zusammensetzen. In den einem Jean-Pierre Melville-Film entliehenen „Kleider“- Bildern von Gerda Scheepers, die als ausgeschnittene Leinwände echte Kleider imitieren, läßt die Künstlerin die Kluft zwischen Darstellung und Dargestelltem sehr schmal werden. Andrea Winkler setzt in ihrer Installation Alltagsgegenstände wie Absperrvorrichtungen, Ketten und Seile ein, um zwei Räume in der oberen Etage des Palais‘ in einen begehbaren Bildraum zu verwandeln. Auch Eva Berendes verbindet in den gezeigten Grids eine Auswahl gefundener, selbst gemachter und gekaufter Objekte zu bildhaften Assemblagen. Im losen Verbund mit handgeschweissten Gitterstrukturen treten die eigentlich disparaten Gegenstände als malerische Kompositionen in Beziehung zueinander, ohne ihren eigentlichen Charakter zu leugnen.

Michael Hakimi zeigt in der Ausstellung unter anderem „Aufsteller“, die den Zwischenraum von Bild, Zeichen, Raum und das narrative Potential dieser Schnittstelle herausarbeiten. Eine speziell für das Palais konzipierte großflächige Wandarbeit bietet im Gegensatz zur eigentlichen freistehenden Skulptur eine Art Rundumansicht aus rasterartigen Strukturen. Kategorien von Bild und Objekt, Vorder- und Rückseite, Materialität und Phänomenalität sind hier eng miteinander verwoben. Florian Balze spielt in seinen abstrakten Skulpturen mit Ähnlichkeiten zwischen konkreter Skulptur und Möbelstücken – oder deren typischer Materialien – in Abhängigkeit von räumlichen und funktionalen Ordnungen, farblichen Konstellationen und kunsthistorischen Verweisen und geht mit den Arbeiten Kubra und Anglone der Frage nach, ob Benutzbarkeit und ästhetische Autonomie zwangsläufig als Gegensatzpaar gedacht werden müssen. Andrea Pichl setzt sich in ihrer Michael betitelten Arbeit mit der Architektur und Stadtplanung der DDR und Plattenbausiedlungen in Ost und West auseinander und setzt Banalitäten und Besonderheiten städtebaulicher Ausschnitte in einer skulpturalen Materialanordnung neu zusammen. Andreas Bunte zeigt mit seiner Arbeit Künstliche Diamanten die Annäherung von einem Objekt an ein anderes im Film. Der Künstler öffnet ausgehend von einem Prozess technischer Mimesis, nämlich der Herstellung künstlicher Diamanten durch Kohlenstoff, ein thematisches Feld, in dem die Zuschreibung von Wertigkeiten – bezogen auf Diamanten als auch auf wirtschaftliche Systeme – behandelt wird.

Florian Balze (geb.1969 in Augsburg) hat an der Akademie der Bildenden Künste in München und am Goldsmith College of Art and Design in London studiert. Einzel- und Gruppenausstellungen Balzes umfassen die Städtische Galerie, Augsburg, Deutsche Botschaft, London, Riflemaker, London und L40, Berlin. Der Künstler hat Kunst-am-Bau Projekte z.B. an der Universität Bordeaux und am Collège Francois Mauriac in St. Symphorien (FR) realisiert.

Eva Berendes (geb. 1974 in Bonn) hat an der Akademie der Bildenden Künste München, der UdK Berlin und dem Chelsea College of Art & Design studiert. Sie präsentierte ihre Arbeit Einzel- und Gruppenausstellungen in Galerien und Institutionen, darunter z.B. Hara Museum,Tokio, Witte de With, Rotterdam, Bundeskunsthalle, Bonn und CRG Gallery, New York. Sie erhielt unter anderem ein DAAD-Postgraduiertenstipendium und ein Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds.

Andreas Bunte (geb. 1970 in Mettmann) studierte an der Akademie der Bildenden Künste Düsseldorf bei Gerhard Merz. Er hat in Einzelausstellungen bei AR/GE Kunst Bozen, im Kunstverein Bielefeld und in Gruppenausstellungen in der Kunsthalle Basel, Kunstverein Hamburg, Kunsthalle Kiel, Martin-Gropius Bau, Berlin und Cornerhouse, Manchester, ausgestellt. Andreas Bunte ist zur Zeit Forschungsstipendiat an der Akademie der Bildenden Künste in Oslo (KHIO), wo er zum Thema „wissenschaftlicher Forschungsfilm“ arbeitet.

Hadley + Maxwell (Zusammenarbeit seit 1997) haben am Emily Carr Institute of Art and Design in Vancouver und an der European Graduate School in der Schweiz studiert. Ihre gemeinsamen Arbeiten zeigten sie bereits in Einzelausstellungen, z.B. in der Contemporary Art Gallery Vancouver, im Künstlerhaus Bethanien, Berlin, und im Kunstverein Göttingen. Gruppenausstellungsbeteiligungen fanden u. A. bei der Sydney Biennale 2014, dem Seattle Art Museum und Witte de With Rotterdam statt.

Michael Hakimi (geb. 1968 in Eutin) studierte an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und an der HFBK Hamburg. Er hat in zahlreichen institutionellen Einzel- und Gruppenausstellungen ausgestellt, darunter Overbeck Gesellschaft Lübeck, temporäre Kunsthalle Berlin, Kunsthalle Basel, Manifesta 9 und Kunstverein Nürnberg. Er ist Preisträger des Ars Viva Förderpreises. Seit 2009 lehrt Hakimi an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg.

Andrea Pichl (geboren 1964 in Haldensleben) hat an der Kunstakademie Berlin Weissensee studiert. Ausstellungen jüngerer Zeit schliessen Institutionen wie das M HKA Antwerpen, den Hamburger Bahnhof, Berlin, die National Art Gallery Tashkent und das Künstlerhaus Bethanien, Berlin ein. Andrea Pichl war kürzlich Stipendiatin am ISCP in New York, sie hatte ein Senatsstipendium des Landes Berlin und ein Stipendium des Irish Museum of Modern Art.

Gerda Scheepers (geboren 1979 in  Tzaneen, Südafrika) hat an der Hogschoolen voor de Kunsten Arnheim und an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Wichtige Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen fanden u.a. im Kunstverein Nürnberg, bei Sprüth Magers Berlin, im Kölnischen Kunstverein und in der Halle für Kunst Lüneburg statt. Scheepers ist Preisträgerin des Art Cologne New Talents Prize, des Peter-Mertes-Stipendiums und des Marianne-Defet-Malerei Stipendiums.

Andrea Winkler (1975 in Zürich) hat an der HFBK in Hamburg und der Slade School of Art London studiert. Ausstellungen der jüngeren Zeit fanden beispielsweise am Aargauer Kunsthaus, im Kunstverein Harburger Bahnhof (beide solo), sowie im Frankfurter Kunstverein und in der Sammlung Falckenberg statt. Ihr wurde der Jurypreis des Aargauer Kunsthauses verliehen und ein Arbeitsstipendium der Stadt Hamburg.

4. Mai -29. Juni 2014
Freitag bis Sonntag von 13.00 – 17.00 Uhr