Paul Schwer / Burkhard Vernunft

Farbflächen

Mit „Farbflächen“ von Paul Schwer und Burkhard Vernunft beendet das Palais für aktuelle Kunst das Ausstellungsjahr 2003, das bereits mit der Gegenüberstellung zweier malerischer Positionen begonnen hatte. Im Zentrum ihres künstlerischen Interesses stehen bildhafte Erlebnisräume und farbige Strukturen. In der Motivwahl sind beide grundsätzlich verwandt, doch sie verfolgen unterschiedliche räumliche Konzepte: bei Vernunft konzentriert sich alles innerhalb eines illusionären Bildraumes, bei Schwer werden Farbflächen raumübergreifend.

Der Düsseldorfer Künstler Paul Schwer (Jg. 1951) arbeitet mit annähernd monochromen Farbflächen auf Glasplatten, die vor Ort unkonventionell arrangiert werden. Einige legt er auf handelsübliche Halogenstrahler, deren hohe Temperatur die Glasscheiben meist nach kurzer Zeit zerspringen lassen. In der Zerstörung liegt gleichzeitig die materielle und künstlerische Überwindung der Farbflächen. Die Glasplatten, blind geworden durch ein Farbgemisch aus Buttermilch und Pigmenten, werden in neue, kleinere Formen vervielfacht. Dieser thermodynamische Vorgang ist nicht steuerbar; der Ausstellungsbesucher wird buchstäblich zum Bestandteil einer zeitlich nicht-abgeschlossenen Installation. Andere gläserne Bildträger, deren Transparenz vom Farbmaterial verschlossen ist, werden rückseitig mit Neonlampen durchstrahlt oder zu farbigen Projektionsflächen eigener Photos aus dem urbanen Alltagsleben, beispielsweise vorübereilende Passanten.

Der Hamburger Künstler Burkhard Vernunft (Jg. 1940) kontrastiert seine ruhigen, annähernd monochromen Farbgründe (Acryl auf Leinwand) mit räumlich verdrehten, verwinkelten Binnenflächen. Inspiriert von mediterraner Architektur und geometrischen Grundformen farbiger Lenkdrachen, jongliert er mit Farbformen, mit dreidimensional erscheinenden Formen, die sich zu bilden und wieder zu verflüchtigen scheinen. In Variationen über ein Thema, etwa acht unterschiedlich farbige Hausmodulformen in leichter Farbverschiebung („luoghi“ – Orte), verzahnen sich die Farbflächen zu einem verschiedenartigen Davor und Dahinter. Viele seiner Bilder beschreiben den Zustand des Innehaltens, des „Atem-Anhaltens“, wie Burkhard Vernunft es selbst ausdrückt. Die Wirklichkeit bleibt ein Vexierbild, und wir benötigen Zeit für die Rezeption seiner zunächst einfach erscheinenden Bildentwürfe, deren komplexe Ideen sich erst auf den zweiten Blick entfalten.

Die Ausstellung wird unterstützt durch die Stadtwerke Glückstadt. Zur Ausstellung erscheinen exklusiv zwei Editionen: der Sechsfarb-Siebdruck „due“ von Burkhard Vernunft (Format 70×100 cm, Auflage 50, 90 €), die fünfteilige Siebdruckarbeit „Paris“ zu Walter Benjamins Pariser Passagen von Paul Schwer (62×50 cm, Auflage 50, je Blatt 200 €) sowie die Postkarten-Publikation „7 Quartette“ von Burkhard Vernunft (10 €).

Vernissage am Sonntag, 16. November 2003, 11.30 Uhr
Ausstellungsdauer bis 21.Dezember 2003

Malerei, 16.11.-21.12.2003