Die Foucault’sche Behauptung in einer „Epoche des Raums“ zu leben, mag richtig sein. Sicher ist, dass unsere alltäglichen Lebensräume, unsere Kultur und Sprache eng mit dem Vorstellungen des Raums verknüpft sind.

Er hat sich als Ordnungseinheit fest in unserem Denken verankert und bestimmt künstlerische Prozesse in zentraler Weise. Fragen nach der räumlichen Veränderung von Lebenswelten und ihre Ästhetisierung, die Erforschung von Raumprozessen und -konstellationen, das Analysieren und Visualisieren von Verortungsmechanismen sind vielen künstlerischen Arbeitsweisen immanent.

Neben dem klar definierbaren, geographischen Raum existiert noch eine weiteres Feld, auf welchem sich Künstler, emotional und produktiv begegnen. Es ist der gemeinschaftliche Wirkungsraum einer kollektiven, künstlerischen Zusammenarbeit.

Anders als Einzelkünstler, sind die Mitglieder einer Künstlergruppe, eines Verbundes, einer künstlerischen Initiative oder eines Künstlerduos durch gemeinsame Ziele und Motivationen miteinander verbunden (…)
Die Ausstellung „Together forever“, die vom 6.9. – 25.10.2015 im Palais für aktuelle Kunst in Glückstadt gezeigt wird, stellt exemplarisch die Arbeit von vier jungen Künstlergruppen vor, die mit dem Raum als solchem und im Besonderen arbeiten werden.

HÜX’L sind bekannt für ihre poetischen Installationen, aber auch Performances, in denen sie sich u.a. als Forscherteam inszenieren. Ihre Laboraufbauten sind Assemblagen im Raum bestehend aus umfassenden Materialsammlungen, wie selbst konstruierten, wissenschaftlichen Werkzeugen, Versuchsanordnungen, Untersuchungsgegenständen und natürlich der Forschungsarchitektur selbst. Mit gezielt ausgerichtetem Licht, Spots, Dioden oder fluoreszierende Klebebändern, aber auch fokussiert eingesetzten, visuellen und auditiven Elementen, inszeniert die Künstlergruppe den in der Realität eher nüchternen, sterilen Laboralltag, als sinnliches und lustvolles Happening. Zwischen 2005 und 2013 realisierten HÜX’L acht Labore, wovon das erste Labor („Lab Phase_01“) in Genua und das vorerst letzte in Hamburg gezeigt wurde. In Glückstadt kooperierten sie mit der hiesigen Papierfabrik und schufen, exklusiv für die Räume des Kunstvereins, aus Zwischen- und Abfallprodukten bei der Papiererzeugung, Skulpturen und Objekte. Videos, die mit Bildern aus der Tiefe des Herzen der maschinellen Produktion arbeiten, komplettieren die Gesamtinstallation. Existentialistische Fragestellungen, Zen, Meditation und Glaube werden auf geschickte Weise verwoben mit dem Produktionskreislauf aus Herstellung, Weiterverarbeitung und Recycling. Indem HÜX’L den kunstfernen, ökonomischen Raum aufgreifen, ihn als Denkkollektiv beleuchten und umdeuten, machen sie ihn zu einem Teil des künstlerischen Diskurses.

Die Mitglieder von HÜX’L kennen sich schon seit ihrer Jugend. Die Gruppe besteht aus Katrin Leitner (*1974), Walter Peter (*1964) aus Kassel und Bernhard Hümmer (*1971) aus Hamburg.

NEOZOON gründete sich 2009 mit Mitgliedern aus Paris und Berlin. Mit ihren Filmen gewannen sie in den letzten fünf Jahren zahlreiche Preise, u.a. den Preis für den besten experimentellen Kurzfilm des Kurzfilmfestivals in Cannes (2014) oder 2012 den Preis für den besten Kurzfilm im Deutschen Wettbewerb des European Unlimited Short Film Festivals in Köln. Ihre Filme, die aus gefundenen Internetclips komponiert sind, wurden bereits in vielen nationalen und internationalen Ausstellungen präsentiert. U.a. in den Kunstwerken Berlin (2015), La Panacée, Montpellier (2015), thePICTUREshow, New York (2014) oder dem ZKM, Karlsruhe (2013). In der Glückstädter Ausstellung zeigt die Gruppe die Videoarbeit Good Boy – Bad Boy (2011), in der es um des Menschen besten Freund und seines liebsten You-Tube-Motivs geht – den Hund. Der Umgang, zunächst noch freundlich, verwandelt sich schon bald in demütige Strafexzesse, denen die Tiere hilflos ausgeliefert sind. „Der virtuelle Raum des Internets, der lange Zeit als ein utopischer Ort des freien, unzensierten und egalitären Austausches von Ideen galt, erscheint in der künstlerischen Reflexion mehr und mehr als ein Spiegel der real existierenden Gesellschaft – mit all ihren Abgründen. (Marcel Schwierin, Transmediale 2011). Zusätzlich ist NEOZOONS Arbeit Pelliciusia Urbana zu sehen. Hierbei handelt es sich um mechanische Fell-Objekte, die, surrend, den Boden des Kunstvereins erkunden werden – ein Beitrag zur Praxis des Umherschweifens.

Die 3 Hamburger Frauen inszenieren sich auf ihren übergroßen Wandportraits selbst als schwesterliches Kollektiv. Dieses Motiv zieht sich durch alle Wandbilder der Künstlerinnen und erhält je nach Kontext eine konkrete, magische oder auch emblematische Funktion. Gleichberechtigt und je nach Fähigkeit ist jeweils eine von ihnen mit bestimmten Aufgaben des Malprozesses beauftragt. So ist die Ausarbeitung der Figuren Sache von Henrieke Ribbe (*1979), während Ergül Cengiz (*1975) für Flächen und Hintergründe, bzw. die ornamentalen Muster darin zuständig ist. Die letzte im Bunde, Kathrin Wolf (*1974), ist die Zeichnerin der Gruppe. In den narrativen Kollektivarbeiten – die sich mitunter an Vorbildern aus der Kinowerbung, Freskomalerei und Comic orientieren – treten die drei als Protagonistinnen ihrer Erzählungen auf. Cengiz, Wolf und Ribbe lernten sich am Lerchenfeld in Hamburg kennen und formierten sich erst gegen Ende des Studiums als Gruppe. Gemeinsame Ausstellungen und Projekte: U.a. Kunstfrühling Bremen (2014), Kunst im öffentlichen Raum, Hamburg/Neuwiedenthal (2012), Kunsthaus Hamburg (u.a. 2011), Sammlung Falckenberg, Harburg (2011).

Das Künstlerduo Mischa Leinkauf und Matthias Wermke aus Berlin produziert vorwiegend Videos von Aktionen, die sie im Stadtraum, mit/im öffentlichen Nahverkehr oder in urbaner Architektur durchführen. Unterschiedliche Herangehensweisen der jeweiligen Protagonisten, münden in einer gemeinsamen, sorgsam geplanten Handlung. Wermke/Leinkauf erklimmen Gebäude, durchschwimmen Gewässer, befahren ungekannte Wege, lassen sich in großer Höhe hängen. Mit teilweise waghalsigen Manövern loten die Künstler Gesetzmäßigkeiten von Stadträumen aus, die einer gewohnten Nutzung zuwider laufen. Dabei werfen sie nichts Geringeres als ihren Körper in die Waagschale, indem sie ihn Maß aller Dinge in mehr oder weniger unkontrollierbare Situationen bringen. Mit ihren Aktionen untersucht das Künstlerduo Sinn und Zweck von Regeln. Zugleich öffnen sie Alternativräume, die sich mit dem wirklichen Alltagsraum überlagern. Das, was möglich ist, möglich sein kann im Vergleich zu dem, was verlangt wird, was Norm ist und zum guten Ton gehört – heißt es abzugleichen. Die filmischen Werke Wermke/Leinkaufs helfen dem Betrachter bei diesem Prozess. Zur Zeit ist ihre Arbeit Safe in the City im Rahmen der Globale des ZKM in Karlsruhe zu sehen. In der Ausstellung Together forever zeigen sie die Dia-Projektion Keine Zeit (2010). In einem choreographierten Ablauf sieht man Mischa Leinkauf und Matthias Wermke sich auf einer Stadtbrücke entgegengehen, bevor sie gemeinsam über das Geländer in die Spree springen. (Exzerpt aus dem Text: „Together forever, Künstlergruppen heute“ von Christiane Opitz)